Freitag, 30. März 2012

Palmsonntag - Graduale: Tenuisti

Dominica Secunda Passionis Seu In Palmis

Palmsonntag


Graduale 

Tenuisti manum dexteram (Psalm 72, 23; 24, V 1-3)
Du nimmst mich an meiner Rechten,
nach Deinem Ratschluss geleitest Du mich,
mit Ehren nimmst Du mich auf.
Vers:
Wie gütig ist Gott gegen Israel,
wie gütig gegen die Frommen.
Fast wären meine Füße gestrauchelt,
ausgeglitten wären fast meine Schritte!
Denn ich ereiferte mich über die Frevler,
da ich sah, wie wohl es den Sündern erging.




Zum Anhören des Chorals bei ReneGoupil.org bitte HIER klicken.

Der Psalmtext des Graduale ist im Wesentlichen eine Mahnung an das Volk Gottes nicht die falschen Wege des Neids und der Verunglimpfung anderer Menschen, auch der Sünder, zu beschreiten, sondern bei sich selbst zu beginnen um den Weg zum Heil zu finden bei einem helfenden Gott..

Musikalisch verharrt der Choral im ersten teil weitgehend zwischen dem Grund und dem Tenorton.
Lediglich zwei Stellen stechen von der Tonhöhe heraus und beide Male auf dem Wort "me" (mich).
Einmal im "deduxisti me" (Du geleitest mich) und danach im "assumpsisti me" (Du nimmst mich auf)
 


Beide Stellen in denen der Psalmist auf die persönlich wirkende Hilfe Gottes hinweist sind dadurch deutlich hervorgehoben um im gesungenen Gebet darauf hinzuweisen, welcher Hilfe Gott zum Ziel gewährt und - in der Folge - den Versuchungen denen der Gläubige dazu aus dem Weg gehen muss!

Der Vers beginnt mit einem durch ausgedehnte Melismen verzierten Lobpreis auf den Gott Israels.
Quam bonus Deus Israel rectis corde!

Wie gütig ist Gott gegen Israel, wie gütig gegen die Frommen.

Für den folgenden Text "mei autem pene moti sunt pedes" (Fast wären meine Füße gestrauchelt) kann ich jetzt nicht exklusiv andeuten, dass hier auch der Sänger leicht ins Straucheln kommen kann. Das ganze Graduale ist ziemlich schwierig zu singen und bedarf langer und sorgfältiger Vorbereitung.
Ich sags mal so: Wenn der Komponist der Schola und dem Solisten eine Lektion mitgeben wollte bezüglich des Pslamtextes - es ist ihm gelungen!
Der Text deutet aber letztlich darauf hin, worin das Straucheln des Gerechten gründen könnte: Indem er sich bei Gott darüber empört, dass es den Sündern vermeintlich gut ergeht im Leben. Das erinnert mich an die Bibelstelle mit dem Splitter im Auge des Bruders, über den man sich ereifert und dabei den  Balken bei sich selbst übersieht.


So wirkt die musikalische Hervorhebung der Sünden (peccatoribus, peccatorum) wie eine Aufforderung zur Selbstreflexion, nicht über andere zu richten, so wie es z.B. beim Evangelisten Lukas, Kap 6, 37 nachzulesen ist:
Richtet nicht über andere, dann wird Gott auch nicht über euch richten! Verurteilt keinen Menschen, dann wird Gott euch auch nicht verurteilen! Wenn ihr bereit seid, anderen zu vergeben, dann wird Gott auch euch vergeben.

just my 2 cents...

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