Donnerstag, 1. März 2012

2. Fastensonntag - Tractus:Confitemini

Dominica II In Quadragesima



Tractus (Ps. 105, 1-4)
Preiset den Herrn, denn er ist gut;
denn ewig währt sein Erbarmen.
Vers 1:
Wer mag schildern des herrn gewaltiges Walten;
wer wird künden all Seinen Ruhm?
Vers 2:
Selig, wer das Gesetz befolgt und
allezeit handelt nach Gerechtigkeit.
Vers 3:
Gedenke unser, Herr, bei Deiner Liebe für Dein Volk,
und komm zu ins mit Deinem Heile.

Zum Anhören des chorals bei St. Rene Goupil bitte HIER klicken.

Wie schon im Beitrag zum Graduale “Tribulationes” erwähnt führt der Tractus die Thematik des 2. Fastensonntags weiter; leitet über von den Bitt- und Flehrufen des Graduale über die Lobpreisungen des Psalms 105 zur Verklärung des Herrn auf dem Berg Tabor im Evangelium.

Die Tractus-Choräle sind, wie schon früher erwähnt, die ältesten bis heute überlieferten Gesänge des frühen Christentums (3. - 4. Jh.)und stehen ausnahmslos entweder im zweiten oder im achten Ton. Confitemini Domino ist ein Tractus im zweiten Ton, Hypodorisch.

Was die Tonhöhe der jeweils höchsten Töne der einzelnen Abschnitte betrifft hat dieser Tractus eine Art – ich nenns mal “Makrokonzept”. In den vier Abschnitten, dem Initiumvers und drei weitere Versen, steigen die jeweils höchsten Tone im Verlauf des Chorals dreimal an
Vergleicht man das mit dem textlichen Aufbau, der Auswahl der Psalmverse und der Hinführung zur Verklärung Christi im Evangelium, dann ergeben sich hier erstaunliche Korrelationen, die ich nicht für einen Zufall halte.
Zum besseren Erkennen hier einige kurze Ausschnitte.
Beginn

Vers 1

Vers 2 (hier gleichbleibend)

Vers3



Der Beginn des Chorals erscheint trotz des Textes nicht euphorisch sondern spiegelt eher das gesicherte Vertrauen in den Herrn wieder. Die ersten drei Teile “Confitemini – Domino – quoniam bonus” zeigen eine langsam ansteigende Melodielinie in der die höchsten Töne jedes Abschnitts um exakt eine Tonstufe erhöht sind. (blau markiert). Man könnte hier von einem Mikrokonzept sprechen vor Beginn des ersten Verses

Der Tonumfang bei “quoniam bonus” wird dann bis zum Erreichen des ersten Verses identisch beibehalten. Der für den zweiten Ton so typisch melancholische Charakter soll von der Schola in flüssig gesungenen Figuren gesungen werden. Die im Choral an mehreren Stellen auftauchenden syllabischen Repetitionen (rot eingekreist) auf einem Ton behandle ich wie verlängerte Auftakte, die schwungvoll weiterführen zu den hier noch bescheidenen Melismen. Der Scholapart ist hier zunächst zu Ende. Die Verse eines Tractus werden traditionell entweder solistisch, oder nur von einem kleinen Teil der Schola gesungen.

Vers 1:
Wer mag schildern des Herrn gewaltiges Walten;
wer wird künden all Seinen Ruhm?
Der erste Vers beginnt direkt mit einem langen Melisma auf “quis loquetur” (Wer mag schildern).
Prägend ist hier die viermal wiederholte Figur aus Punctum und doppelter Clivis (rot umrandet). Den Punctum lasse ich leicht dehnen um die Figur besser hervorzuheben.


Bei “potentias domini” (Walten des Herrn) erfolgt wie als Abgrenzung zum bisherigen Gesang eine Art “Harmoniewechsel” mit Schluss unter dem Grundton.
Interessant ist die melodische Wiederholung bei “auditas faciet” (wörtlich wer bringt zu Gehör). Hier wird die Melodie von des Wortes “saeculum” (ewig oder Ewigkeit) kopiert – ein interessanter Gedankengang, der sich hier auftut. Allerdings wird diese Formel im nächsten Vers gleich nochmal verwendet bei “faciunt justitiam in omni tempore” und im letzten Vers in einer Abwandlung. Man darf sie daher als wiederkehrendes, stilistisches Element verstehen.


Vers 2
Selig, wer das Gesetz befolgt und
allezeit handelt nach Gerechtigkeit.

Bereits im ersten Wort “Beati” (glücklich, selig) wird der nächsthöhere Ton eingeführt (Stichwort: Makrokonzept). Der zweite Vers bekommt seinen weiteren melodischen Charakter durch die vermehrte Verwendung von Climacus-Neumen (in Sekundschritten abfallende Dreier und Vierergruppen) die im kommenden Abschnitt im Zentrum der Worte “custodiunt judicium” (die das Gesetz befolgen) auftreten. Das Ende des Verses 2 ist als Element bereits weiter oben beschrieben.

Vers 3
Gedenke unser, Herr, bei Deiner Liebe für Dein Volk,
und komm zu ins mit Deinem Heile.
Memento nostri – Gedenke unser, so beginnt der dritte Vers und führt sich wiederum direkt mit der schon erwähnte tonalen Steigerung ein – in diesem Fall die finale. Das Melisma bewegt sich bis auf das Ende ausgiebig und in sehr engen Rahmen am oberen Ende der Tonskala des 2. Tons. Ein hohes Rufen, das um Erhörung bittet.


Das anschließende “in beneplacito populi” (in Liebe für dein Volk) wirkt hier wie eine Rezitation. Kein Melisma schmückt den Text. Der Komponist will hier maximale Textverständlichkeit.


Das “visita nos” (besuche/komm zu uns) ist wie erwähnt ein Zitat der vorherigen Vers-Schlussstellen, weicht aber melodisch insofern ab, als hier zum letzten Mal der höchste Ton erreicht wird. Die Bestätigung der Erlösung durch den Herrn nach Tod, Auferstehung und Verklärung wird zum Ende hin noch mal mit einem weiten Melisma bei “in salutari tuo” (in deinem Heil) besungen. Hier endet auch der lange solistische Part und die Schola singt gemeinsam das “tuo”.

Es ist sehr beeindruckend mit welcher Akribie, Detailfreude und künstlerischer Meisterschaft dieser uralte Choral komponiert wurde. Natürlich ist es nicht überall möglich diese Choräle in einer messe erklingen zu lassen, aber man vergleiche bitte diesen Reichtum mit den trockenen, spröden Kehrversen, die stattdessen überwiegend gesungen werden.

just my 2 cents...

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