Dominica II In Quadragesima
Tractus (Ps. 105, 1-4)
Preiset den Herrn, denn er ist gut;
denn ewig währt sein Erbarmen.
Vers 1:
Wer mag schildern des herrn gewaltiges
Walten;
wer wird künden all Seinen Ruhm?
Vers 2:
Selig, wer das Gesetz befolgt und
allezeit handelt nach Gerechtigkeit.
Vers 3:
Gedenke unser, Herr, bei Deiner Liebe
für Dein Volk,
und komm zu ins mit Deinem Heile.
Zum Anhören des chorals bei St. Rene Goupil bitte HIER klicken.
Wie schon im Beitrag zum Graduale
“Tribulationes” erwähnt führt der Tractus die Thematik des 2.
Fastensonntags weiter; leitet über von den Bitt- und Flehrufen des
Graduale über die Lobpreisungen des Psalms 105 zur Verklärung des
Herrn auf dem Berg Tabor im Evangelium.
Die Tractus-Choräle sind, wie schon
früher erwähnt, die ältesten bis heute überlieferten Gesänge des
frühen Christentums (3. - 4. Jh.)und stehen ausnahmslos entweder im
zweiten oder im achten Ton. Confitemini Domino ist ein Tractus im
zweiten Ton, Hypodorisch.
Was die Tonhöhe der jeweils höchsten
Töne der einzelnen Abschnitte betrifft hat dieser Tractus eine Art –
ich nenns mal “Makrokonzept”. In den vier Abschnitten,
dem Initiumvers und drei weitere Versen, steigen die jeweils höchsten Tone im Verlauf des Chorals dreimal an
Vergleicht man das mit dem textlichen
Aufbau, der Auswahl der Psalmverse und der Hinführung zur Verklärung
Christi im Evangelium, dann ergeben sich hier erstaunliche
Korrelationen, die ich nicht für einen Zufall halte.
Zum besseren Erkennen hier einige kurze
Ausschnitte.
Beginn
Vers 1
Vers 2 (hier gleichbleibend)
Vers3
Der Beginn des Chorals erscheint trotz
des Textes nicht euphorisch sondern spiegelt eher das gesicherte
Vertrauen in den Herrn wieder. Die ersten drei Teile “Confitemini –
Domino – quoniam bonus” zeigen eine langsam ansteigende
Melodielinie in der die höchsten Töne jedes Abschnitts um exakt
eine Tonstufe erhöht sind. (blau markiert). Man könnte hier von
einem Mikrokonzept sprechen vor Beginn des ersten Verses
Der Tonumfang bei “quoniam bonus”
wird dann bis zum Erreichen des ersten Verses identisch beibehalten.
Der für den zweiten Ton so typisch melancholische Charakter soll von
der Schola in flüssig gesungenen Figuren gesungen werden. Die im
Choral an mehreren Stellen auftauchenden syllabischen Repetitionen
(rot eingekreist) auf einem Ton behandle ich wie verlängerte
Auftakte, die schwungvoll weiterführen zu den hier noch bescheidenen
Melismen. Der Scholapart ist hier zunächst zu Ende. Die Verse eines
Tractus werden traditionell entweder solistisch, oder nur von einem
kleinen Teil der Schola gesungen.
Vers 1:
Wer mag schildern des Herrn gewaltiges
Walten;
wer wird künden all Seinen Ruhm?
Der erste Vers beginnt direkt mit einem
langen Melisma auf “quis loquetur” (Wer mag schildern).
Prägend ist hier die viermal
wiederholte Figur aus Punctum und doppelter Clivis (rot umrandet).
Den Punctum lasse ich leicht dehnen um die Figur besser
hervorzuheben.
Bei “potentias domini” (Walten des
Herrn) erfolgt wie als Abgrenzung zum bisherigen Gesang eine Art
“Harmoniewechsel” mit Schluss unter dem Grundton.
Interessant ist die melodische
Wiederholung bei “auditas faciet” (wörtlich wer bringt zu
Gehör). Hier wird die Melodie von des Wortes “saeculum” (ewig
oder Ewigkeit) kopiert – ein interessanter Gedankengang, der sich
hier auftut. Allerdings wird diese Formel im nächsten Vers gleich
nochmal verwendet bei “faciunt justitiam in omni tempore” und im
letzten Vers in einer Abwandlung. Man darf sie daher als wiederkehrendes, stilistisches Element verstehen.
Vers 2
Selig, wer das Gesetz befolgt und
allezeit handelt nach Gerechtigkeit.
Bereits im ersten Wort “Beati”
(glücklich, selig) wird der nächsthöhere Ton eingeführt
(Stichwort: Makrokonzept). Der zweite Vers bekommt seinen weiteren
melodischen Charakter durch die vermehrte Verwendung von
Climacus-Neumen (in Sekundschritten abfallende Dreier und
Vierergruppen) die im kommenden Abschnitt im Zentrum der Worte
“custodiunt judicium” (die das Gesetz befolgen) auftreten. Das Ende des Verses 2 ist als Element bereits weiter oben beschrieben.
Vers 3
Gedenke unser, Herr, bei Deiner Liebe
für Dein Volk,
und komm zu ins mit Deinem Heile.
Memento nostri – Gedenke unser, so
beginnt der dritte Vers und führt sich wiederum direkt mit der schon
erwähnte tonalen Steigerung ein – in diesem Fall die finale. Das
Melisma bewegt sich bis auf das Ende ausgiebig und in sehr engen
Rahmen am oberen Ende der Tonskala des 2. Tons. Ein hohes Rufen, das
um Erhörung bittet.
Das anschließende “in beneplacito
populi” (in Liebe für dein Volk) wirkt hier wie eine Rezitation. Kein Melisma schmückt den
Text. Der Komponist will hier maximale Textverständlichkeit.
Das “visita nos” (besuche/komm zu
uns) ist wie erwähnt ein Zitat der vorherigen
Vers-Schlussstellen, weicht aber melodisch insofern ab, als hier zum letzten
Mal der höchste Ton erreicht wird. Die Bestätigung der Erlösung
durch den Herrn nach Tod, Auferstehung und Verklärung wird zum Ende
hin noch mal mit einem weiten Melisma bei “in salutari tuo” (in
deinem Heil) besungen. Hier endet auch der lange solistische Part und
die Schola singt gemeinsam das “tuo”.
Es ist sehr beeindruckend mit welcher Akribie, Detailfreude und künstlerischer Meisterschaft dieser uralte Choral komponiert wurde. Natürlich ist es nicht überall möglich diese Choräle in einer messe erklingen zu lassen, aber man vergleiche bitte diesen Reichtum mit den trockenen, spröden Kehrversen, die stattdessen überwiegend gesungen werden.
just my 2 cents...
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