Mittwoch, 27. Juli 2011

Alleluia: Eripe me. 9. Sonntag nach Pfingsten

Dominica IX post Pentecosten

Alleluia, Alleluia
Mein Gott, errette mich von meinen Feinden:
befreie mich von meinen Widersachern.
Alleluia
Zum Anhören der Version von St. Rene Goupil bitte HIER klicken.

Im Alleluiatext entnommen aus Psalm 58, 2 bittet die Seele darum von Gott gerettet zu werden. Es wird hier Bezug genommen auf das Evangelium Lukas 19, 41-47, in dem Jesus über das zukünftige Schicksal Jerusalems weint, wenn seine Mauern zerschmettert werden, weil es die zeit seiner Heimsuchung nicht erkannt hat.
Der Beter Alleluias bezieht das allegorisch auf seine Seele und fleht um das Erbarmen Gottes.
Diese flehentliche Bitte spiegelt sich wieder im Gesang, der entgegen der übliche Erwartung an das Alleluia hier nicht den Charakter eines Jubelgesangs aufweist. Der Gesang wird geprägt duch
  1. demütige 4 Tonstufen abwärts laufende, sich litaneihaft wiederholende Melodieteile
  2. eine ebenso 4 mal wiederkehrende einzelne Abschnitte abschliessende Wendung, deren 1. Ton gedehnt wird. Interessanterweise tritt diese Wendung am Ende des Alleluia auf, sowie 3 x im Text beim "Ich" des Beters, den Worten "meus" und zweimal "me".
Der Beginn dieses im 2. Ton komponierten Alleluia und der litaneihaft flehentlich klingende Jubilus sind vom Tonumfang (eine Quinte) sehr klein gehalten. Die Melodie bewegt sich fast scheu in kleiner werdenen Amplituden zum magnetisch wirkenden Grundton (eingekreist) hin. Siehe Bildauschnitt Jubilus:
Die ersten Worte des Psalmverses, "Eripe me" (Errette mich) nehmen diese Grundstimmung auf. Hier wird keine Forderung an Gott gestellt, sondern eine demütige Bitte. Auch neue Melodieteile sind weiterhin charakterlich entsprechend nach unten gerichtet (Kreis).
Auch wenn dem Sinnentsprechend durch ein Komma getrennt, weist der weitere Fortgang ein Detail auf, das nicht unerwähnt bleiben soll. Nachdem zunächst gesungen wird vor wem gerettet werden soll, "inimicis meis" (meine Feinden) und WER retten kann, "Deus meus" (mein Gott), fallen religiöse Übereinstimmungen auf, die durchaus mit dem Satzaufbau, der Wortstellung zu tun haben können: "meis, Deus meus". Gott flankiert vom "Ich" des Beters.
Das ist zum Einen die augenfällige Ähnlichkeit zwischen "meis" und "Deus". Deus wird lediglich durch flehentlich gedehnte Wechselnoten (Kreis) verlängert.
Zum Anderen werden diese Wechselnoten erneut aufgegriffen, beim abschliessenden "meus" - nur eben auf einer niedrigeren Tonstufe, der Hierarchie und dem Selbstverständnis des Beters entsprechend.

Die nach dem Doppelpunkt besungenen "insurgentibus" (die Widersacher) scheinen dem Komponisten hier besonders wichtig zu sein. Zumindest sind sie ihm eine ausführliche melodische Wiederholung (eingerahmt) wert. Ich hab das mal in einer Zeile zusammengeführt.
Beim folgende Wort "in me" wird die gleiche Schlussformel (siehe auch oben 2.) verwendet wie beim vorhergehenden meus. An Zufall glaube ich hier nicht. Das ist eine bewusste Wiederholung, wie auch im folgenden "libera me":
Ein kleiner, zunächst unscheinbar wirkender Kunstgriff des Komponisten, der jedoch durch die Wiederholungen hervorsticht und dem Gesang eine melodische Bindung verleiht. 
Es folgt zum Schluss des Verses auf den Vokal "e" die Melodie des Jubilus und die Wiederholung des Alleluia, inklusive Jubilus.
Ein ungewöhnliches, flehentlich intensives Alleluia, schlicht und bewegend in seiner Zuversicht, machtvoll in seiner Demut Gott gegenüber.
Gesungene Liturgie, geschaffen um die Gläubigen zu bewegen in reiner Symbiose mit dem Text des Evangeliums.

just my 2 cents


Montag, 25. Juli 2011

Graduale: Domine Dominus noster. 9. Sonntag nach Pfingsten

Dominica IX post Pentecosten

Herr. unser Herr, wie wunderbar ist doch dein Name allüberall auf Erden.
V.: Denn deine Herrlichkeit ist hoch erhaben über alle Himmel.

Zum Anhören bei St Rene Goupil bitte HIER klicken.

In sich ruhend, sich nur wenige Töne vom Fundament des Grundtons entfernend, beginnt das Graduale. Nur allmählich entwickeln sich die Melismen, verbreitern das Dominus noster, betonen es damit, aber noch ohne Überschwang, eher als schlichte Bestätigung des Glaubenden.

Erst beim "quam admirabile" (wie wunderbar) lässt der Komponist die Melodie sich entfalten. Hier wird zwar der höchste Ton des Gesangs vor dem Vers erreicht, aber bei weitem nicht die klanglich höchste Intensität.
Eine kleine rein praktische Anpassung habe ich hier vorgenommen mit der Schola. Wir verlängern die letzte Silbe des admirabile und atmen direkt danach. Das "est nomen tuum" bildet dann die nächste Einheit. Wiederum klanglich sehr eng gehalten. Lediglich der Schluss auf der 2. Stufe stellt eine Abweichung dar.

Wie? - fragt sich der Zuhörer. Da wird "Herr. unser Herr wie wunderbar ist doch dein Name" gesungen fast ohne hörbare Emotion? Gemach, gemach lieber Hörer, kommt schon noch. Der Komponist wollte eben nicht mit der Tür ins Haus fallen.

Fast unwillkürlich beschleunigt man beim "universa" den Gesang um die Melodie dann auf der letzten Silbe die mit 2 Quilismen verziert ist ruhig hinunterzuführen zum Grundton terra=Erde, wo nicht nur der Text ein Ausrufezeichen besitzt, sondern in Form des jubelnden Dreiklangs auch die Melodie. Den obersten Ton vor dem Atemzeichen lasse ich etwas länger halten um den feinsinnig gestalteten Schluss nach dem Atemzeichen etwas abzuheben. Hier nämlich erklingt das erste Mal der Ton der 4. Stufe nicht erniedrigt. Eine Klangfacette die angenehm herb und kraftvoll auffällt und die von hier an im solistisch vorgetragenen Vers bestehen bleibt, bis sie im Schlussmelisma zurückgeführt wird.
Bis zum einsetzenden Vers erschafft der Komponist also eine kontinuierliche Steigerung der Intensität des Gesangs und nimmt den aufmerksamen Zuhörer damit nach und nach gefangen vor der Hauptaussage des Graduale, in der die zuvor aufgestellte Behauptung textlich begründet wird:  Denn deine Herrlichkeit ist hoch erhaben über alle Himmel.
(Anmerkung: Der C-Schlüssel ist ab hier aus techn. Gründen nach unten versetzt, damit die weitere Notation ohne Hilfslinien erfolgen kann)

"elevata est"  - hoch erhaben. Hier erhebt nun der Gesang tonmalerisch die Herrlichkeit Gottes. Er erhebt sie nicht nur, sondern lässt sie bildhaft viermal schweben auf dem höchsten Ton des Gesangs (eingekreiste Töne). Dem Zuhörer wird schlagartig bewusst, dass hier im Einklang mit dem Text der musikalische Höhepunkt des Gesangs erreicht ist.
"magnificentia tua" - Deine Herrlichkeit. Das viermalige Wiederholen des höchsten Tons erfährt hier eine Art Echo, nur etwas tiefer und in spärliche Melismen eingebunden. Die  Melodie wird zum Ende des solistischen Teils wieder zum Grundton zurückgeführt.

Bei "super caelos" (über den Himmeln) kommt ein öfter verwendetes Motiv zum Einsatz, das nahezu bildlich das Himmelsdach darstellt (rechteckig markiert). Gleich zu Beginn des Schlussmelismas geht der Weg zurück mit der Erniedrigung der 4. Stufe (Kreis), womit die tonale Verbindung zum Anfang wiederhergestellt ist.
Der Gesang schliesst indem er das Schlusswort des Verses "caelos" klingt am Ende exakt mit der gleichen Tonfolge ausklingen lässt wie den Schluss vor dem Vers  - auf dem Wort "terra".
Himmel und Erde - am Ende vereint.

just my 2 cents...

Mittwoch, 20. Juli 2011

Introitus: Ecce Deus adjuvat me. 9. Sonntag nach Pfingsten

Dominica IX post Pentecosten

Sieh, Gott ist mein Helfer, und der Herr der Hort meiner Seele.
Wende das Unheil gegen meine Feinde, vernichte sie in
Deiner Treue, o Herr, mein Beschützer.
Ps. Gott, in Deinem Namen rette mich, in Deiner
Kraft befreie mich.


Zum Anhören auf  musicfortheliturgy.org bitte HIER klicken.


Der Introitus beginnt mit einem freudigen Ausruf aus melodischer Höhe "Ecce". Ein natürliches rhetorisches Stilmittel, das auch ein Redner so sprachmelodisch vergleichbar für seine Zuhörerschaft verwendet, wenn er sie fesseln will:"Seht her, Hört her....". Und wie der Redner seine Stimme senkt um mitzuteilen, wofür er Aufmerksamkeit verlangt, so tut dies auch der Komponist hier im "Deus adjuvat me", wörtlich "der Herr steht mir bei". Die Melodik ist einfach gehalten, der Tonraum auf eine Quinte beschränkt. Einfache Botschaften braucht man nicht kompliziert mitzuteilen, es reicht sie durch richtige Betonungen zu verdeutlichen. das "adiuvat" läst man durch verlängerte Tonfolgen pro Silbe auf dem Grundton ausklingen. Ich lasse vor dem adiuvat atmen um diesen Effekt der Schola problemlos zu ermöglichen.

Das nachfolgende "et Dominus susceptor est" (und der Herr ist der Hort...) ist vom Aufbau  her ähnlich. Zu beachten ist, dass bei "Dominus" durch die nicht mehr vorhandene Halbtonminderung von "b" auf "h" eine Tritonusspannung auftritt. Klanglich sehr schön, aber das sollte gesondert eingeübt werden. Das behütete Objekt "anima mea" (meine Seele) erhebt sich wieder in der Melodie, repetiert eindringlich auf dem Rezitationston und endet anders als die Phrasen vorher nicht  auf dem Grundton, sondern auf der 3. Stufe und läutet den Teil ein mit den Bitten an Gott.

averte mala....disperde illos - Wende das Unheil gegen meine Feinde, vernichte sie in Deiner Treue, o Herr,mein Beschützer. Den Text zu beurteilen überlasse ich lieber theologischen Experten.

Musikalisch sticht hervor, dass bis zum letzten Wort dieses Abschnitts "illos" kein Binnenschluss mehr auf dem Grundton, oder dem Rezitationston endet, die melodisch den Anfang des introitus noch dominierten. Die Bitte "averte mala" (wende das Unheil) lehnt sich als melodisches Zitat noch an das vorhergehende "anima mea" an. Die Feinde, "inimicis meis", die das Unheil treffen soll sind schon charakterisiert durch den undgewöhnlichen Anfangston (2. Stufe) und mehr noch den Schlusston (4. Stufe) der in Tritonusspannung zum Grundton steht. Diese Spannung kann die Schola sehr gut den Gläubigen nahebringen, indem sie gerade diesen letzten Ton bei „inimicis meis“ zunächst minimal verzögert vorbereitet und ihn danach bewusst einen Tick länger klingen lässt. Die tonale Unbestimmtheit dieses Teils setzt sich fort im "in veritate tua" (im Kontext: in deiner Treue)und löst sich erst im Schluss dieses bschnitts "disperde illos" (Vernichte diese). Dass der Komponist hier keine Zweifel hegt und damit auch der Sänger oder Zuhörer keine Zweifel hegen soll, wird dadurch deutlich, dass im Wort "illos" der gleiche Dreiklang als Melodie erklingt wie zu Beginn beim "Ecce Deus".

Im Schluss des Introitus kommt meiner Meinung nach die grosse Zuversicht zum Ausdruck, da sich die Melodik wieder in den Rahmen zwischen Grundton und der 5. Stufe, dem  Rezitationston zurück orientiert. Das Wort "meus" er fährt eine deutliche melismatische Verbreiterung und hebt die Tatsache hervor, dass der Herr m e i n Beschützer ist. "Domine", der Herr bewegt sich dann auch im Rahmen des Grundtons, der in jeder Silbe erscheint. Dieser  Rückzug in ruhiges Fahrwasser wird melodisch wunderbar bildhaft dargestellt durch den kurzen melodischen Anstieg bei "protector"(Beschützer) und darauf folgende absteigende melodische Wellen, deren oberste Töne stufenartig bis zum letzten Ton gleichmässig absteigen vom Beginn des "meus" hin zu "Domine". Die gesamte Stelle "protector meus Domine" wirkt dadurch, in Verbindung mit den gleichen melodischen Eckpunkten des „Ecce Deus“ Anfangs wie eine Art geschlossener Kreislauf, und bildet einen fundamentbetonten, musikalischen Rahmen des Gesangs.
Der dazugehörige Psalmvers nimmt das Thema des Introitus textlich nochmals auf und vertieft damit dessen Aussage.

just my 2 cents...