Mittwoch, 20. Juli 2011

Introitus: Ecce Deus adjuvat me. 9. Sonntag nach Pfingsten

Dominica IX post Pentecosten

Sieh, Gott ist mein Helfer, und der Herr der Hort meiner Seele.
Wende das Unheil gegen meine Feinde, vernichte sie in
Deiner Treue, o Herr, mein Beschützer.
Ps. Gott, in Deinem Namen rette mich, in Deiner
Kraft befreie mich.


Zum Anhören auf  musicfortheliturgy.org bitte HIER klicken.


Der Introitus beginnt mit einem freudigen Ausruf aus melodischer Höhe "Ecce". Ein natürliches rhetorisches Stilmittel, das auch ein Redner so sprachmelodisch vergleichbar für seine Zuhörerschaft verwendet, wenn er sie fesseln will:"Seht her, Hört her....". Und wie der Redner seine Stimme senkt um mitzuteilen, wofür er Aufmerksamkeit verlangt, so tut dies auch der Komponist hier im "Deus adjuvat me", wörtlich "der Herr steht mir bei". Die Melodik ist einfach gehalten, der Tonraum auf eine Quinte beschränkt. Einfache Botschaften braucht man nicht kompliziert mitzuteilen, es reicht sie durch richtige Betonungen zu verdeutlichen. das "adiuvat" läst man durch verlängerte Tonfolgen pro Silbe auf dem Grundton ausklingen. Ich lasse vor dem adiuvat atmen um diesen Effekt der Schola problemlos zu ermöglichen.

Das nachfolgende "et Dominus susceptor est" (und der Herr ist der Hort...) ist vom Aufbau  her ähnlich. Zu beachten ist, dass bei "Dominus" durch die nicht mehr vorhandene Halbtonminderung von "b" auf "h" eine Tritonusspannung auftritt. Klanglich sehr schön, aber das sollte gesondert eingeübt werden. Das behütete Objekt "anima mea" (meine Seele) erhebt sich wieder in der Melodie, repetiert eindringlich auf dem Rezitationston und endet anders als die Phrasen vorher nicht  auf dem Grundton, sondern auf der 3. Stufe und läutet den Teil ein mit den Bitten an Gott.

averte mala....disperde illos - Wende das Unheil gegen meine Feinde, vernichte sie in Deiner Treue, o Herr,mein Beschützer. Den Text zu beurteilen überlasse ich lieber theologischen Experten.

Musikalisch sticht hervor, dass bis zum letzten Wort dieses Abschnitts "illos" kein Binnenschluss mehr auf dem Grundton, oder dem Rezitationston endet, die melodisch den Anfang des introitus noch dominierten. Die Bitte "averte mala" (wende das Unheil) lehnt sich als melodisches Zitat noch an das vorhergehende "anima mea" an. Die Feinde, "inimicis meis", die das Unheil treffen soll sind schon charakterisiert durch den undgewöhnlichen Anfangston (2. Stufe) und mehr noch den Schlusston (4. Stufe) der in Tritonusspannung zum Grundton steht. Diese Spannung kann die Schola sehr gut den Gläubigen nahebringen, indem sie gerade diesen letzten Ton bei „inimicis meis“ zunächst minimal verzögert vorbereitet und ihn danach bewusst einen Tick länger klingen lässt. Die tonale Unbestimmtheit dieses Teils setzt sich fort im "in veritate tua" (im Kontext: in deiner Treue)und löst sich erst im Schluss dieses bschnitts "disperde illos" (Vernichte diese). Dass der Komponist hier keine Zweifel hegt und damit auch der Sänger oder Zuhörer keine Zweifel hegen soll, wird dadurch deutlich, dass im Wort "illos" der gleiche Dreiklang als Melodie erklingt wie zu Beginn beim "Ecce Deus".

Im Schluss des Introitus kommt meiner Meinung nach die grosse Zuversicht zum Ausdruck, da sich die Melodik wieder in den Rahmen zwischen Grundton und der 5. Stufe, dem  Rezitationston zurück orientiert. Das Wort "meus" er fährt eine deutliche melismatische Verbreiterung und hebt die Tatsache hervor, dass der Herr m e i n Beschützer ist. "Domine", der Herr bewegt sich dann auch im Rahmen des Grundtons, der in jeder Silbe erscheint. Dieser  Rückzug in ruhiges Fahrwasser wird melodisch wunderbar bildhaft dargestellt durch den kurzen melodischen Anstieg bei "protector"(Beschützer) und darauf folgende absteigende melodische Wellen, deren oberste Töne stufenartig bis zum letzten Ton gleichmässig absteigen vom Beginn des "meus" hin zu "Domine". Die gesamte Stelle "protector meus Domine" wirkt dadurch, in Verbindung mit den gleichen melodischen Eckpunkten des „Ecce Deus“ Anfangs wie eine Art geschlossener Kreislauf, und bildet einen fundamentbetonten, musikalischen Rahmen des Gesangs.
Der dazugehörige Psalmvers nimmt das Thema des Introitus textlich nochmals auf und vertieft damit dessen Aussage.

just my 2 cents...

1 Kommentar:

wrtlx hat gesagt…

Im Hintergrund steht hier der sogenannte "tun-ergehen-zusammenhang" des alten Testamentes: das Unheil ist eine flge der schlechten Taten.
Der Beter weiß: Gott ist gerecht. er wird nicht zulassen, dass das Unheil jene trifft, die ihm treu sind.
Der Beter bringt sein absolutes Vertrauen in Gottes Gerechtigkeit dadurch zum Ausdruck, dass er ihn bittet, das Unheil möge jene treffen, die es durch ihr Tun "verdient" haben.
Das vorangestellte "Ecce" zeigt: Hier geht es nicht nur um eine Privatangelegenheit. Die Gerechtigkeit Gottes soll vor aller Augen offenbar werden. Gott verherrlicht seinen Namen dadurch, dass er die Getreuen rettet und die Bösen zuschanden werden lässt. Auch Jesus hat am Kreuz ganz ähnlich gebetet. Allerdings mussten die Christen erfahren, dass die "Rettung" des Gerechten nicht immer sogleicht geschieht, sondern möglicherweise ein übernatürliches Geschehen ist: In den Augen der Welt hatte das Böse am Tag der Kreuzigung Christi triumphiert. Erst der Ostermorgen machte offenbar, dass Gott "gerecht" ist.
Die Psalmen des alten Testamentes wurden immer schon auf dem Hintergrund des Leidens Christi gelesen. Wir dürfen diese Psalmworte also als Worte Christi verstehen, der in endgültiger Weise über das Böse gesiegt hat.

Antwort von HW Hendrick Jolie, bzgl der theologischen Deutung des Introitustextes.