Dominica Resurrectionis
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Resurrexi
Am Ostersonntag singt die Kirche: Resurrexi et adhuc tecum sum...- "Ich bin auferstanden und immer bei dir. Du hast deine Hand auf mich gelegt. Wie wunderbar ist für mich dieses Wissen. Halleluja." Das Einzugslied am Osterfest, dem Fest aller Feste, ist von klassischer Schönheit und geläuterter Klarheit. Es ist mehr als tausend Jahre alt.
Fast sind wir enttäuscht über die Einfachheit, ja Schmucklosigkeit der Melodie. Man wollte meinen, es gebe für das Osterfest geeignetere Lieder: Hymnen, die mit "Pauken und Trompeten" von der Auferstehung künden. Das subjektive Empfinden möchte am Ostermorgen in der Liturgie eine rauschende und festlich-frohe Weise vernehmen. Aber am Tag der größten Festesfreude verzichtet die Kirche in ihrem ersten Gesang der Eucharistiefeier auf alle äußeren Glanzmittel und Effekte. Gemessen an den Liedern der Feste Christi Himmelfahrt, Pfingsten, Allerheiligen, erster Adventsonntag oder Weihnachten enthält die Melodie nichts, aber auch gar nichts an Freude.
Der Text ist dem 139.Psalm entnommen. Das Eröffnungswort Resurrexi – Ich bin auferstanden kündet vom Wunder der göttlichen Heilsfügung. Der Verfasser des Liedes stellt sich vor, wie Christus, der Auferstandene, am Ostermorgen seinem ewigen Vater gegenübertritt: Ich bin auferstanden. Noch zittert das Leid und die Verlassenheit des bitteren Karfreitags nach. Schmerzliche Erinnerung.
Du hast deine Hand auf mich gelegt. Schwer lastet die Hand des Vaters auf dem Sohn. Der Weg des Leidens war hart und dunkel. Dem Willen des Vaters aber hat der Sohn sich gehorsam übergeben.
Wie wunderbar ist für mich dieses Wissen. Trotz der Nacht des Todes und der letzten Entäußerung bleibt eines bestehen: Gottes Wissen erweist sich als wunderbar. Der Vater weiß um den tiefsten Sinn des Leidens seines Sohnes. Seine Weisheit beweist sich in der Auferstehung seines Sohnes. Er führt ihn durch die Finsternis des Karfreitags ins Licht des Ostermorgens.
Zu diesen wohlbedachten Psalmenworten erwartet man einen Gesang voller Freude, voller Siegeszuversicht, eingebettet in das ewige Halleluja. Doch ein Osterhymnus, den, wie Karl Rahner sagt, "die Glaubenden singen, die die Enttäuschungen des Lebens und des Zweifels hinter sich zu lassen vermögen; die glauben von diesem innersten Segen ihres Lebens her – befreit erkennen, was sie glauben", ein solcher Osterhymnus scheint dieses Lied nicht zu sein.
Aber vielleicht ist unsere Erwartung falsch; Jubel, wo Traurigkeit noch dauert, Freude, wo Trauer noch weint. Vielleicht sind wir generell zu rasch geneigt, mit Osterjubel alles Leid zuzudecken, die Trauer, die allem gegenüber offen bleibt, nicht durchzuhalten, sie einfach wegzujubeln. Nur wer den Karfreitag durchlebt, seine Trauer zulässt, wird in die Freude des Ostermorgens hinein gehen können.
Das Lied der Kirche am Osterfest klingt verhalten, schwebend und fragend: Worte, die aus göttlichem Gesetz entstanden sind, Töne, die aus dem Schweigen geholt sind. Ein Lied aus dem Schatten der Nacht, ein Gesang in die zögerliche Dämmerung des neuen Tages, eine Melodie aus den Tautropfen des frühen Morgen.
Die alten Choralkompositionen haben uns die Geheimnisse ihrer Kompositionskunst nicht überliefert. Sicher ist aber, dass sie aus tiefer und bedachter Gläubigkeit entstanden sind und den Stempel gläubiger Autentizität tragen. Sie teilen mit, was vor den Worten ist. Sie sagen nicht das Was des Glaubens, sondern das Wie.
Seine Entsprechung, besser seinen Ausgangspunkt, findet der Gesang in Worten des Tagesevangeliums. Im ersten Satz heißt es dort: Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala, morgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab genommen war. (Joh.20,1).
Morgens, als es noch dunkel war – das ist die Stimmung des Gregorianischen Chorals: morgens, als es noch dunkel war, vor Tau und Tag, wenn Nebel noch haften.
"Du hast deine Hand auf mich gelegt."Das Evangelium liebt Feststellungen wie diese "es war Winter" (Joh. 10,22). Gemeint ist nicht nur die Jahreszeit, sondern auch die Kälte der Menschen, mit denen Jesus zusammentrifft. In der Leidensgeschichte heißt es "es war Nacht" (Joh. 13,30), als Judas den Herrn verriet. Gemeint ist damit nicht nur die Nacht, die jedem Tag folgt. Gemein ist vielmehr die Finsternis, in der jeder Verrat steht.
Ähnlich spricht das Evangelium von der Tageszeit am Ostermorgen: morgens, als es noch finster war. Tageszeit und Geschehen entsprechen einander.
Der letzte Satz des Evangeliums, das an diesem Morgen verkündet wird, heißt: denn sie verstanden noch nicht die Schrift (Joh. 20,9). Anfang und Ende sprechen von Ungewissheit, von offenen Fragen und Skepsis.
Daraus schöpft auch der Sänger des Introitus seine Melodie: Ungewissheit und Wagnis. Sie zeigt den Beter in der Spannung des noch-nicht-sicher-Wissens und des Dennochs einer hoffnungsfrohen, rettenden Botschaft. Die Töne werben um das Wunderbare des Ostergeheimnisses. Staunen und Sehnen vereinen sich. Tränen der Trauer mischen sich mit Tränen der Freude. Freude, die "nur mehr als Schrecken sichtbar und fühlbar werden kann. Aber von nun an ist Freude im Schrecken" (Ilse Aichinger).
Der Sänger wirft mit seinem ersten Wort Resurrexi , mit dem Bekenntnis der Auferstehung Christi, alle musikalischen Grundsätze über den Haufen. Er überspringt alle Vorgaben der Tradition und leiht sich die ersten Töne aus einer anderen, fremden Tonart. So dokumentiert er, dass Christi Auferstehung alle bis dahin gültigen Gesetze ungültig macht und die Fesseln des Todes sprengt. Statt laut darüber zu jubeln bleibt der Sänger in den eng begrenzten Tonschritten einer meditativen Stille, verharrt im frommen Gebet; will sagen: das Geheimnis der Auferstehung erschließt sich nur der stillen Anschauung, nur in der Hoffnung wider alle Hoffnung, dort, wo selbst der Zweifel noch Hoffnung ist, wo Staunen alles Fragen verdrängt.
Wie so oft in der Bibel, wenn Glaube und Ungläubigkeit aufeinander stoßen, wird eine Geschichte, ein Gleichnis erzählt. Der Zuhörer mag den Sinn erfassen. Der Verfasser des Osterliedes stellt sich vor, wie der Auferstandene am Ostermorgen seinem Vater gegenübertritt. Drei Grundgedanken sind in seiner Rede vor Gott zusammengefasst: die Auferstehung, der vorangegangene Leidensweg und die Weisheit Gottes. Die Reihenfolge ist bedeutsam. Vom Ende her erklärt sich der Beginn. Der Lebensweg und das Leiden Christi finden ihr Ziel in der Auferstehung, sind von Anbeginn an aufgehoben in der Weisheit Gottes.
Der Sänger des Osterintroitus singt vom tiefen Geheimnis des göttlichen Wirkens. Er weiß es genau, wenn er die wunderbare Weisheit Gottes besingt: scientia, die Allwissenheit. Hier ist der melodische Höhepunkt des Gesanges.
Diese Weisheit offenbart sich in der Führung des Sohnes, auch in Leid und Tod hinein. Der Sänger kann das in seiner Musik verdeutlichen. In gleicher Weise, in gleicher Tonhöhe, singt er nämlich von der Weisheit Gottes, wie er schon vorher mit gleicher Tonwendung die Hand des Vaters, die schwer lastet, besungen hat. Das Befremdliche und Unerklärliche, die Schwere des Schicksals, sie sind aufgehoben in der ewigen Weisheit Gottes, ja, sind selbst Weisheit. Die gleichen Töne der Melodie verbinden die textlich so weit auseinanderliegenden Worte posuisti und scientia miteinander und sagen: Der Auftrag des Vaters an seinen Sohn ist wunderbare Weisheit.
Aber trotz aller innerer Wortverbindung und äußerer Melodieverknüpfung bleibt in der Melodie ein Hauch von Trauer bestehen. Entgegen aller unterbrechenden und abschließenden Halleluja-Rufen verharrt der Gesang in stiller Sehnsucht, klingt das Leid des Karfreitags noch herüber in den Ostersonntag, ist das Unfassbare des Todes immer noch im Blick des Beters.
Spätere Zeiten werden in der Tonart dieses Introitus, in der Tonart der Sehnsucht, das große Passionslied singen "O Haupt voll Blut und Wunden".
Zwischen Trauer und Freude, zwischen Schmerz und Erfüllung kommt die Botschaft des Osterfestes in diesem alten gregorianischem Lied auf uns zu. Freude unter Tränen mag die Metapher sein für den, der am Osterfest diese Melodie singt. Die Sehnsucht des Herzens sucht den Glauben.
So ist unser Glaube: zwischen Dunkel und Licht. Doch die Hoffnung ist die Brücke zwischen Tag und Hoffnung. Denn die Hoffnung ist der Ort des Glaubens.
Text: Heinz-Gert Freimuth
Prof. Dr. Heinz-Gert Freimuth war von 1973 bis 2005 Domchordirektor am münsterschen St.-Paulus-Dom. Er hat promoviert mit einer Arbeit zum Thema "Das Geistliche in der Musik". Freimuth lehrt Musik und Gesang in der Liturgie an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster.
more than 2 cents...
4 Kommentare:
eine sehr schöne predigt, der man kaum etwas hinzufügen muss...
Morgens, als es noch dunkel war – das ist die Stimmung des Gregorianischen Chorals: morgens, als es noch dunkel war, vor Tau und Tag, wenn Nebel noch haften.
An der Stelle hatte ich wieder meinen assoziativen flash bzgl der Vigil ebendort(..und wie lange das schon her ist) auch wenn der Introitus da gar nicht hingehört.
Danke. Sehr schön. Die Übersetzung klingt allerdings etwas seltsam. Resurrexi, et adhuc tecum sum: Ich bin auferstanden und bin nun immer bei Dir. posuisti super me manum tuam: Du legtest Deine Hand auf mich. mirabilis facta est scientia tua: Wie wunderbar ist Deine Erkenntnis geschaffen. Oder seh ich das falsch?
ja, stimmt da hat der gute Prof. Freimuth eine kleine Diskrepanz. Ganz oben steht: Wie wunderbar ist für mich dieses Wissen.
Im Text weiter unten heisst es dann: Er weiß es genau, wenn er die wunderbare Weisheit Gottes besingt: scientia, die Allwissenheit.
Icvh formulier mal einen Kompromiss:
Wie wunderbar ist deine Allwissenheit {für mich} geschaffen.
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